Liebes Gotele!
Du warst nicht nur ein ganz besonderer Mensch, sondern Du warst für uns auch die beste Taufpatin, die man nur haben konnte. Du hast Deine Verantwortung - mit ganz viel Liebe zu uns - ernst genommen und nie damit aufgehört: Nicht als wir konformiert wurden, nicht mit dreißig und nicht, als wir fünfzig wurden. Es gab keinen Geburtstag von uns, den Du versäumt hast oder uns nicht - so wie heuer, weil es nicht mehr anders ging - gratuliert hast. Deine Gotngeschenke waren immer Sachen, die wir dringend brauchten, wie Strumpfhosen oder Unterwäsche, denn Du wusstest genau, wie schwer es für unsere Mutter war, uns alleine großzuziehen. Und Dein Brot - das gab es beim Gotnen immer dazu, solange Du backen konntest - war besser als jeder Reindling. Ich habe nie mehr ein besseres Brot gegessen als Deines. Zu Weihnachten habe ich mit Claire noch darüber geredet und sie hat gesagt: „Dann frag‘ Tante Christl um das Rezept.“ Das wollte ich auch tun, wie so vieles andere auch. Aber Du hast verstanden, dass mich meine Ausbildung sehr in Anspruch nimmt. Ich hatte die letzten drei Jahre viel zu wenig Zeit für die Menschen, die mir wichtig sind, aber Du hast mich deswegen nicht weniger gerngehabt. Im Gegenteil: Du hast immer nachgefragt, wie es mir in der Schule geht und ob bei mir alles in Ordnung ist.
Aber das wirklich wertvolle Gotngeschenk, dass Du uns jedes Jahr, jeden Tag, gemacht hast, war deine Liebe zu Deinen Patenkindern, deine Sorgen, die du Dir um uns gemacht hast, dein Denken an uns, der Platz in Deinem Herzen, den wir als Deine Gotnkinder immer hatten. Du hast Deine Liebe sogar noch auf meine Tochter übertragen: Es gab keinen Geburtstag, wo Du nicht an Claire gedacht hast: Deine Schokolade und zwanzig Euro waren jedes Jahr Tradition und die Frage, wie es ihr beim Studieren geht. Zwanzig Euro mag für andere nicht viel klingen, aber Du musstest Dein Leben lang sparen und hast trotzdem lieber gegeben als genommen, denn Du warst immer bescheiden und zufrieden mit dem, was Du hattest.
Du warst die große Schwester für Deine Brüder, für Tante Mariedl und vor allem für Mutti - als jüngste von den Geschwistern - die sich wahrscheinlich ohne Dich gerade sehr verloren fühlt, aber es nicht zeigt. Du hast schon als ganz junger Mensch für sie Verantwortung übernommen und bist ihre Taufpatin geworden. Dann wurdest Du noch Gotele für Herbert, Reinhard, Hansi & mich im Doppelpack und zum Schluss kam noch Evi dazu. Ich kenne niemanden außer Dir, der es sich zugetraut hätte, gleich für sechs Patenkinder die Verantwortung zu übernehmen und hast das dann auch Dein Leben lang getan.
Du warst das Fundament für uns alle, aber vor allem für Deine Kinder und Deine Enkelkinder. Ich weiß noch, wie Elisabeth und ich uns am Sarg von ihrem Tate umarmt und gegenseitig getrösten haben … und um wie vieles schlimmer muss es jetzt für Deine Kinder sein, denn damals warst Du noch da und hast ihren Kummer aufgefangen, damals warst Du noch ihr Anker, an dem man sich festhalten konnten. Du warst ihre „Mutter“, dieses große, wunderbare Wort, dieses Wort, das keine bedingungslosere Liebe auf der ganzen Welt beschreiben kann und Du warst mit der gleichen Hingabe Schwiegermutter, Oma, Uroma, Schwester, Schwägerin, Tante und Nachbarin. „Wia konn in an Menschenherzn lei so vü Platz für Liebe sein?“, aber bei Dir war es so.
Was ich an Dir am meisten geschätzt habe war, dass Du nie über jemanden geurteilt hast, nie habe ich von Dir ein böses Wort über jemand anderen gehört. Du bist dann meistens sogar „grantig“ geworden, weil das mochtest Du gar nicht. Und Du hast so viel gewusst, warst immer über alles, was sich auf der Welt zugetragen hat, informiert, auch mit weit
über neunzig. Wenn man etwas von früher wissen wollte, dann brauchte man nur Dich zu fragen. Ich weiß noch, wie Bruni Gritzner zu mir gesagt hat: „Die Gemeinde Malta will eine Chronik schreiben und ich muss unbedingt mit deiner Tante reden, denn kein Mensch weiß noch so viel von früher wie sie.“ (Ich hoffe, sie hat es noch getan.) Und Du warst so wunderbar realistisch. Als Du damals wegen Deinem Bauch ins Krankenhaus musstest, hast Du das ganze „Theater“ rund um Dich nicht verstanden: „Christine, ich bin alt, von mir aus kann es jeden Tag so weit sein, warum soll ein so alter Mensch wie ich überhaupt noch ins Krankenhaus, ah so a Zirkus!“ Das werde ich auch nicht vergessen und es tröstet mich gerade jetzt, denn ich weiß, dass Du schon damals Deinen Frieden mit allem geschlossen hast.
Jeden Abend, wenn es finster wird, zünd ich auf der Terrasse eine Kerze in der Laterne an, aber eigentlich ist das Licht für mich, denn Du bist schon längst da, wo es Dir gut geht und hast losgelassen …. nur wir, die wir jetzt auf einmal ohne Dich sind, müssen das erst lernen und es tut halt im Moment noch so schrecklich weh.
Danke für alles Gotele, meine Tante, meine Namensgeberin! Du bist der Mensch, bei dem ma is Herz übergeht vor Liebe, wenn i lei an Di denk und nit lei i: Du woarst für uns olle wos gonz bsunderes, einzigartiges, unersetzliches und unendlich Wichtiges.
Martha, Gerti, Elisabeth & Willi, ich umarme Euch und Eure Lieben ganz fest. Ich weiß, wie unendlich traurig ihr jetzt seid, denn es war Eure „Mutti“, ein Abschied, der so unendlich weh tut. Aber ihr tragt sie in Eurem Herzen und sie Euch in ihrem, weit über das, was wir als Leben verstehen, hinaus.
Und deine Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus. „Du bist daham Gotele“ und werst in da Tiar stehn und uns umormen, wonn donn unsa Zeit kummen is!
„Pfiat di“ Gotele!
In Liebe Christine